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“Als Anklägerin stehe ich vor Ihnen”

12. Oktober 2022

“Als Anklägerin stehe ich vor Ihnen”

Anlässlich des 150. Geburtstages der Arbeits-, Frauenrechtlerin und Politikerin Marie Beutlmayr, die 1870 als Maria Stadler in der Pfarre Neukirchen am Walde geboren wurde, verfasste der Germanist Florian Haderer aus Waldkirchen am Wesen ein Theaterstück über ihren Werdegang.

Laienschauspielerinnen aus der Region unter der Regie von Herbert Wiesinger aus Peuerbach präsentieren das Theaterstück “Pfeift” im Central , LINZ, Landstraße 36; www.centrallinz.at

Sozialdemokratin

Geboren wurde Beutlmayr 1870 in Neukirchen am Walde, wo sie in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Ihre Mutter war Landarbeiterin, der Vater kaum für seine Familie da. Schon im Alter von etwa 13 Jahren führte sie ihr Weg nach Linz. Sie arbeitete in der Kaffeemittelfabrik Franck. Nach einer Stelle als Haushaltsgehilfin in Wien kehrte Beutlmayr nach Linz zurück und wurde Sekretärin im Dampfsägewerk. Hier begann auch ihr politisches Engagement. Ab 1891 baute sie die sozialdemokratische Bewegung in Oberösterreich mit auf. “Genossin Beutlmayr war immer eine der eifrigsten. In den ersten Jahrzehnten ihrer Tätigkeit hat es wohl wenige Orte in Oberösterreich gegeben, wo sie nicht aufklärend und organisatorisch gewirkt hat”, heißt es in einem Artikel aus dem Jahr 1930. 1893 war sie Mitbegründerin des Arbeiterinnen-Bildungsvereins und 1898 eine der Wortführerinnen bei der ersten österreichischen Frauenkonferenz. Ab 1927 war sie Bundesrätin und ab 1928 Vorsitzende der Sozialistischen Frauenbewegung Oberösterreichs. Ihre Redekunst lässt sich noch heute nachlesen.

“Als Anklägerin stehe ich vor Ihnen”, sagt Marie Beutlmayr am 11. September 1919 im Oberösterreichischen Landtag. Sie klagt über systematischen Hass gegen “die städtische und speziell industrielle Bevölkerung”. Ihre Rede richtet sich direkt an die Vertreter der Bauern: “Ich stehe als Anklägerin im Namen der so vielen hungernden arbeitenden Schichten, im Namen der hungernden Kinder und der schon verstorbenen Kinder, die an der Unterernährung gestorben sind, und im Namen aller Frauen, die nachts nicht mehr schlafen können, weil sie nicht wissen, wo sie am nächsten Tage etwas zu essen hernehmen sollen.” Die Lage ist ernst, denn besonders die Stadtbevölkerung leidet nach dem Ersten Weltkrieg unter Mangel- und Unterernährung. Vor allem Milch und Eier sind rar, berichtet Beutlmayr, die Abgeordnete. Die Probleme sind aus ihrer Sicht hausgemacht. Teilen der bäuerlichen Landbevölkerung wirft sie vor, sich nicht an die Liefervorgaben zu halten, Lebensmittel zu horten, Milch zu verwässern und durch Schleichhandel horrende Preise zu erzielen. “Hört, hört”, schallt es immer wieder unterstützend von den Abgeordnetenbänken ihrer sozialdemokratischen Mitstreiter.

Die erste Abgeordnete

Die Anwesenheit Beutlmayrs am Rednerpult war alles andere als selbstverständlich, denn die Linzerin war die erste weibliche Landtagsabgeordnete in Oberösterreich. Davor mussten Frauen einen langen Weg gehen, um ihr Recht auf politische Mitbestimmung durchzusetzen. Immerhin: Beim Zusammentreten des provisorischen Linzer Gemeinderats im November 1918 waren bereits zwei Frauen dabei – Marie Beutlmayr und Juliane Hudetschek. Am 18. Mai 1919 fanden dann die ersten freien Wahlen für Männer und Frauen zum Oberösterreichischen Landtag statt und Beutlmayr wurde auch hier erste Abgeordnete.

Großer Beifall

Am Ende ihrer Rede im September 1919 nimmt sie die Bauernvertreter elegant in die Pflicht. Sie sollten doch auf ihre Standesgenossen einwirken, damit die Städter genug Lebensmittel erreichen. Sie glaube an den Erfolg dieser Bemühungen. “Sie werden es nicht zu bereuen haben, anderenfalls aber wird die industrielle Arbeiterschaft es Ihnen niemals vergessen, was in der Zeit der Not an uns gesündigt wurde”, schließt Beutlmayr und erntet großen Beifall aus ihrer Fraktion.

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