Rückblick Vortrag Prof. Fiereder
Anlässlich des Jahrestages der Pogromnacht am 9. November 1938 fand in Ottensheim eine Veranstaltung mit dem Historiker Helmut Fiereder statt.
Er spannte einen weiten Bogen von den Anfängen jüdischen Lebens in Oberösterreich im 9. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Juden sind als Sündenböcke für alle möglichen Gesellschafts- und Naturkatastrophen immer wieder der Verfolgung ausgesetzt. Erst im 18. Jahrhundert gab es unter Joseph II, bedingt durch das Toleranzpatent, eine gewisse Anerkennung, wenn auch nicht eine vollständige Gleichstellung, die erst 1867 erfolgte. Erst 4 Jahre zuvor war Juden gestattet Immobilienbesitz zu erwerben. In Linz entstand eine jüdische Gemeinde mit etwa 600 Mitgliedern, die auch eine Synagoge errichtete. In ganz Oberösterreich zählte man ca. 1000 Menschen zur israelitischen Kultusgemeinde, weniger als 1,5 Promille der Gesamtbevölkerung.
Fiereder erläuterte, wie die an die Macht gelangten Nazis, immer mehr terroristische Maßnahmen gegen Juden setzten. Die Ermordung des Deutschen Gesandten Ernst vom Rath in Paris im November 1938 durch den polnischen Juden Herschel Grynszpan war für das NS-Regime der Anlass zu „spontanen“ gewalttätigen Übergriffen gegen JüdInnen, deren Besitz und ihren Bet- und Gotteshäusern.
In Linz wurde von ca. 40 SA-Männer die Synagoge in der Bethlehemstraße aufgebrochen und in Brand gesetzt. Eine jüdische Familie befand sich in einem Zimmer im Tempelgebäude, das aber versperrt worden war. Nachdem der Raum bereits rauchgefüllt war und die Hilferufe der Familie immer lauter wurden, sperrte ein SA-Mann die Türe auf und ermöglichte den Eingeschlossenen die Flucht vor den Flammen. Die angerückte Linzer Feuerwehr war vom Landeshauptmann Eigruber angewiesen, nur die benachbarten Gebäude zu schützen und die Synagoge niederbrennen zu lassen.
Am 10.11.1938 war zumindest in Linz die SA-Aktion beendet. Im übrigen Deutschen Reich dauerten aber die Gewaltmaßnahmen noch einige Tage an.
Die Pogromnacht stellte ein signifikantes Ereignis bei der Ausplünderung, Vertreibung und Ermordung der Juden dar, das dann in den Holocaust führte.
Als Fazit für heute: die völkisch-nationalistische Bewegung (damals besonders antisemitisch geprägt, heute durch andere Feindbilder ergänzt) verwendet geeignete Anlässe, um zu eskalieren und damit eine Radikalisierung ihrer Politik zu betreiben. Das bedeutet auch ein erlaubtes Ausleben von Aggressionen gegenüber Sündenböcken und der damit verbundenen Selbsterhöhung. Es stellt auch eine Ventilfunktion für die Bevölkerung dar, weiters die Möglichkeit der Parteigänger Vorteile zu lukrieren und sich zu bereichern und letztendlich ein weiterer Schritt zur Verwirklichung der abstrusen politischen Ideologie der Machthaber.