Ökosozialismus oder Barbarei?
Zur Utopie einer gerechten Weltordnung
Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Klaus Dörre
am Mittwoch, 2.4.2025, Ottensheim
Eingangs verweist Klaus Dörre auf den Bericht des spanischen Ministers I. Errejón fünfzig Jahre nach der Veröffentlichung des Club of Rome von „Die Grenzen des Wachstums“. Errejón ist es ein Anliegen, eine nachhaltige Wirtschaftsweise und soziale Gerechtigkeit in Einklang zu bringen. Doch solche Intentionen werden immer mehr konterkariert von einer Politik, die in rasender Weise eine völlig ins Gegenteil gewendete Agenda verfolgt.
Daher spricht Dörre in einem ersten Part über den „großen Rollback“. Der s.g. „grüne Kapitalismus“ ist scheinbar obsolet. Das Recht des Stärkeren ist das Credo des Donald Trump. Mit Musk und Trump ist die Idee eines „grünen Kapitalismus“ gestorben. Und wir sind – vermerkt Dörre – der Barbarei derzeit näher als irgendeiner Spielart des Sozialismus. Doch wenn man handlungsfähig bleiben will, muss man eine Vorstellung einer besseren Gesellschaft haben.
Im zweiten Teil geht Dörre auf die „Vision einer sozialistischen Globalisierung“ ein und sieht ein „Zeitalter der Interdependenz“ (wirtschaftliche, soziale, ökologische, politische globale Verflechtungen). Er schickt aber voraus, dass Gesellschaften, die sich ihre Zukunft nur noch in dystopischen Szenarien vorstellen können, auf Dauer nicht überlebensfähig sind. In den 1960iger und 70iger-Jahren gab es die antikoloniale Bewegung mit einer Hoffnung der Neugestaltung der Nord-Süd-Beziehungen und der Vorstellung einer sozialen und auf allgemeiner Entwicklung beruhenden internationalen Politik. Diese Hoffnung auf Umverteilung, Entwicklungsmöglichkeit und Ausgleich ist im globalen Maßstab nicht erfüllt worden: jeder Dollar – stellt Dörre fest – der von den hochentwickelten Ländern in den Süden geht, fließt in der Höhe von 30 Dollar wieder zurück. Vordringlich ist daher, eine sozial gerechte Globalisierung und Neujustierung der Beziehungen vorzunehmen. Die Vorstellung von einer globalen Klassengesellschaft, in der die Menschen im Süden, den Reichtum des Nordens erarbeiten, knüpft an die Überlegungen von M. Manley (1924 – 1997, Jamaika) und K. Nyrere (1922 – 1999, Tansania), zwei antikoloniale politische Aktivisten, an. An dieser Stelle bringt Dörre ein Zitat von W. Putin, der genau diese Diskrepanz anspricht und sich als Epochenerneuerer geriert (damit ein politisches Kalkül verfolgt) und meint, dass die neue Weltordnung „vor unseren Augen Gestalt annimmt“ und wir „vor einem Wendepunkt stehen“.
Das führt Dörre zum dritten Teil, den er betitelt: „Von der „Zangenkrise zur Transformationsblockade“. Zangenkrise bedeutet hier das Dilemma, dass eine Wirtschaft die stagniert oder gar schrumpft, die Armut vergrößert. Eine Wirtschaft die boomt, aber die ökologische Krise verschärft (Nichterreichung des 1,5-Grad-Zieles). Dörre bringt Diagramme, die die Entwicklung in der deutschen Automobilindustrie zeigen, mit dem (gescheiterten) Versuch der Ökologisierung. Dadurch könnten bis 10.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich verloren gehen. Dies Ängste führen die ArbeiterInnenschaft nach rechts.(38 % der ArbeiterInnen wählten bei der Bundestagswahl 2025 AfD, das sind besonders jene, die sich gefühlt finanziell schlechter gestellt sehen).
Die AfD deutet lt. Dörre den dahinter stehenden Klassenkonflikt innerhalb einer Gesellschaft in einen Innen- und Außenkonflikt um. Damit wird die soziale Frage ethnisiert. Wobei diese Art von politischer Agitation nicht nur in Deutschland und Europa existiert, sondern auch in Brasilien, Korea, Indien u.a. Staaten.
Dörre schließt mit einer „Utopie einer gerechten Weltordnung“, die – meint er – dringend nötig ist, um dem autoritären Liberalismus eine attraktive Alternative entgegen setzen zu können. Das sieht Dörre in den Sustainable Development Goals (siehe: https://unric.org/de/17ziele/). Diese sollten die normative Grundlage jedes zukünftigen Handelns darstellen.
Weiters nennt Dörre folgende Punkte als essentiell, die für eine gerechte Weltordnung nötig sind:
- – kollektives Selbsteigentum (Eigentumsfrage ist prioritär);
- – umfassende Wirtschaftsdemokratie;
- – Übergang zu einer Qualitätsproduktion langlebiger Güter und nachhaltiger
- Dienstleistungen;
- – demokratische Umverteilung zugunsten der Ärmsten und der Peripherie;
- – Transformations- und Nachhaltigkeitsräte;
- – eine robuste, öffentlich finanzierte soziale Infrastruktur;
- – die gesellschaftliche Aufwertung von Sorgearbeit; Care-Revolution;
- – demokratische makroökonomische Verteilungsplanung;
- – kooperative Marktwirtschaft im KMU-Sektor;
- – Neuorganisation der Arbeitsprozesse und Arbeitsvermögen; Aufhebung der funktionalen
- Arbeitsteilung, kurze Vollzeit für alle und Zeit für Arbeit an Gesellschaft und Demokratie;
- – eine neue International Economic Order (NIEO), die den Ländern des Südens
- nachhaltige Entwicklungschancen bietet;
- – transformatives Recht (gesellschaftliche Strukturen aktiv legistisch verändern);
„Unpolitisch sein
heißt politisch sein,
ohne es zu merken.“
Rosa Luxemburg
Harald Wildfellner








